Felix Draeseke's Violin Concerto at the
IDG 2009 Conference

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Das Violinkonzert in E moll, WoO 15 von Felix Draeseke
Alan Krueck, Bad Rodach (20 Juni 2009)

Die Urfassung dieses Referats wurde im Jahre 2000 verfaßt und im englischen Titel wird darauf hingewiesen, daß der Aufsatz eine dauernde Forschung im Falle des einzigen Violinkonzerts von Felix Draeseke darlegt. Diese Forschung dauert an. Die Arbeit versucht zu erklären, warum die Frage eines existierenden Violinkonzerts von Felix Draeseke mit einem Nein und mit einem Ja beantwortet werden kann. Da die einzige bekannte Handschrift der Orchesterpartitur und augenscheinlich auch deren vorbereiteten und einmall vorhandenen Orchesterstimmen verschwunden ist, darf man mit Nein antworten. Dagegen existiert doch die vom Komponisten verfaßte Probefassung Alan Krueck, Bad Rodach 2009für Violine und Klavier des vollständigen Konzerts, welche in der Draeseke Sammlung der Sächsischen Landes – und Universitätsbibliothek (SLUB) zu Dresden aufbewahrt ist und, welche morgen im Brahms Saal der Schloßkirche in Meiningen durch Julia Röntz, Violine und Professor Wolfgang Müller-Steinbach, Klavier als Uraufführung von Felix Draesekes einzigem Werk für Violine mit Orchester dargeboten wird.

Die Korrespondenz in bezug auf das Violinkonzert in E moll, Wo0 15 von Felix Draeseke ist minimal. Was wir haben, wird in der Sächsischen Landes-und Universitätsbibliothek (SLUB) zu Dresden aufbewahrt. Da erfahren wir, daß Draeseke beim Komponieren des Konzerts hoch begeistert war und immer Hoffnung auf erfolgreiche Annahme des Werkes hegte, denn er schreibt, daß er das Violinkonzert als einer der besten seiner Werke bis auf seine Entstehungszeit hielt. Vom Komponisten selbst lernen wir, daß das Komponieren des Konzerts ziemlich rasch verlief: der erste Satz (Allegro appassionata E moll, 4/4) wurde zu Frühlingsanfang 1881 begonnen und am ersten Mai des Jahres abgeschlossen. Der zweite Satz (Adagio, 3/4) und der Finalsatz (Allegro con brio e vivace, 3/4) tragen respektiv die Daten 12ten Juli und 14ten Juli als vollendung.

Warum das Violinkonzert keine Aufführung zu Lebzeiten Draesekes erlebte, ist so einfach nicht zu erklären. Wenn behauptet wird, daß der Komponist langsam das Interesse daran verlor, ist das teilweise durch die enormen schöpferischen Ausgaben an der Symphonia Tragica und der Oper Gudrun in den Jahren 1882-1886, Kompositionen welche gleich nach dem Violinkonzert begonnen wurden. Warum das Violinkonzert bis auf den heutigen Tag nie aufgeführt worden ist, hängt teilweise mit bedauerlichen Vorkomnissen zusammen, deren Höhepunkt in dem Verschwinden der handschriftlichen Orchesterpartitur irgendwann zwischen 1941 und 1945 gipfelte.

Bad Rodach: RathausZwar gibt es den 1915 nach dem Tode des Komponisten bei Ries und Erler erschienenen Druck des Adagio zweiten Satzes in der von Frida Draeseke begutachteten Bearbeitung für Violine und Klavier von einem gewissen Jean oder Hans Benda. Dieser langsame Satz ist der einzige Teil des Konzerts, der zur Lebzeit Draesekes vorgetragen wurde, 1886 vom Geiger Adolf Brodsky dem Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchesters – „... bei einer geistlichen Abendmusik“ so berichtet Erich Roeder auf Seite 92 im zweiten Band seiner Draeseke Studie. Da keine Orchesterstimmen für diese Vorführung existieren und der Auftritt in der Thomaskirche zu Leipzig stattfand, darf man vermuten, daß Brodsky am Klavier - oder was eher der Fall wäre - an der Orgel begleitet wurde. Man weiß nicht, ob Draeseke anwesend war.Brodsky scheint als einer unter den wenigen Geigern, die damals Interesse an Draesekes Violinkonzert aufwies. Draeseke verlangte 1886 die Handschrift des Konzerts von Brodsky zurück. Das Schicksal des Konzerts zu diesem Punkt enthält ein bedauerliches Element. In einem zum Verständnis zur Entstehung des Violinkonzerts wichtigen Brief an seine Tante Therese vom Jahre 1881, der bei SLUB aufbewahrt ist, drückt Draeseke die Hoffnung aus, daß der Virtuose August Wilhelmj das Violinkonzert spielen würde, sonst „... gibt es nur Juden“ und fast gleich danach bestätigt Draeseke der Tante „... ich bin eifriger Anti-Semit.“ Ironisch ist es, daß der Jude Adolf Brodsky der einzige Erwähnte unter Zeitgenossen ist, der sich zu einem gewißen Teil für Draesekes Konzert eingesetzt hatte.

Nach Roeder war Draeseke davon überzeugt, daß ohne Veröffentlichung sein Konzert wenig Chance hätte, zur Aufführung zu gelangen. Da keine Verleger je Interesse an dem Werk zeigten, hatte Draeseke leider recht mit seiner Behauptung, und das Violinkonzert ist bis auf heute ungespielt geblieben. Die einzige veröffentlichte Analyse des Violinkonzerts existiert bei Erich Roeder in seiner grundlegenden Draeseke Studie. Darin ist es klar, daß Roeder seinen Bericht vom Violinkonzert auf die ihm damals vorhandene aber in der Zwischenzeit verlorengegangene Orchesterpartitur basiert. Roeder weist ständig in seiner Analyse auf Beispiele hin, aber erstaunlicherweise gibt es in den über 600 Seiten seiner zwei Bände keinerlei Noten dafür. Trotz Verlust der Orchesterpartitur (und wohl auch der Orchesterstimmen dazu) braucht man das Violinkonzert als nicht ganz verloren bezeichnen, denn unter dem Katalog Eintrag MUS 7099-B-501 existiert vollständig die Fassung des Konzerts für Violine und Klavier in der musikhandschriftlichen Abteilung der SLUB in Dresden. Als ich 1996 zum erstenmal verlangte, wurde sie mir sofort gebracht. Nochmals im Jahre 2000 verlangt, wurde mir mitgeteilt, daß das Werk unvollständig sei. Die Lösung dieses Rätsels lag darin, daß die Fassung zwischen zwei separaten Folien geteilt lag und so aufbewahrt geblieben, d.h. die erste Folio enthält die zweiten und dritten Sätze, während die andere den ersten Satz allein und,obwohl nebeneinander in der Sammlung, wurde es nicht beachtet, daß diese Folien eigentlich zusammengehörten: deswegen im Katalog „unvollständig“ angegeben. Der Irrtum ist korrigiert worden. Nebenbei ist zu erwähnen, daß des Verfassers Handschrift in beiden Folien etwas unterschiedlich scheint. Warum ich die beiden Folien 1996 beim Abruf bekam und nicht im Jahre 2000, kann ich nicht erklären, aber was wir morgen in Meiningen erleben, ist das ganze Konzert in E moll, Wo0 15 von Felix Draesekein in dieser Gebrauchsfassung und in seiner Uraufführung durch Frau Julia Röntz, Violine und Professor Wolfgang Müller-Steinbach am Klavier.

Felix Draeseke's Adagio for Violin Augenscheinlich mit genehmigung des Komponisten Witwe Frida Draeseke erschien 1915 eine von einem gewißen Jean oder Hans Benda bei Jatho Verlag Berlin (jetzt Ries und Erler) eine Bearbeitung des Adagio zweiten Satzes aus dem Violinkonzert. Der Name Jean Benda liegt bei Roeder in einem Fußnotiz. Hans Benda taucht in der von der Draeseke Gesellschaft veröffentlichten Chronik auf und steht tatsächlich an der Titelseite des gedruckten Ausgabe.

Roeders Besprechung des Violinkonzerts in seiner Studie macht häufig Hinweis auf Material das von einzelnen Instrumenten und Orchestergruppen eingeführt wird, sodaß man sicher feststellt, er arbeitete mit der Orchesterpartitur. Leider scheint diese Partitur die einzige, die je existierte. Ob diese Orchesterpartitur für immer verloren ist, kann man nicht sagen, denn die Suche danach ist noch jung, mit Eifer erst im Jahre 2000 von mir begonnen und bei glücklichem Eintritt in die IDG von Alan Howe in England in Zusammenarbeit weiterfortgesetzt, obwohl Dr. Robert Rej, unser Computervirtuose Erkundigungen danach fleißig überall aussendete. Man fragt sich, wie die Partitur verlorengegangen sei? Die Ursache liegt in einem von der damaligen Felix Draeseke Gesellschaft geplanten Felix Draeseke Fest für das Jahr 1941 in der damaligen schlesischen Stadt Liegnitz (heute Legnica in Polen), einer Stadt die später im Krieg von dem anrollenden russischen Heer enorme Schaden erlitt.

Aber zurück zum Jahre 1941. Der Frühling naht an. Wenige Menschen in Liegnitz ahnen daß Adolf Hitlers Feldzug Barbarossa – Angriff auf die Sowjetunion - in der nahen Zukunft liegt. Nach dem Sieg 1940 gegen Frankreich gab es relative Ruhe in Deutschland. Erich Roeder erlebte seinen Übergang von SA-Mann zum Leutnant in der Wehrmacht Sonderdienst Kultureinsatz. Seit den festlichen Unternehmungen zu Draesekes 100stem Geburtstag 1935 in seiner Geburstag Stadt Coburg waren fünf Jahre vergangen. Als eine führende Persönlichkeit der damaligen Draeseke Gesellschaft und wohl das politisch höchstengagierte Mitglied arbeitete Roeder auf eine noch breiter angelegte Felix Draeseke Feier hin: eine wochenlange Reihe von Konzerten mit Draesekes Vokal-Kammer- und Orchestermusik, die in einer Aufführung von Draesekes seit 1893 nicht aufgeführter Oper Gudrun hätte gipfeln sollen. Als Ort der Geschehnisse wurde die schlesische Stadt Liegnitz gewählt, eine Stadt, die damals etwa 80,000 Einwohner besaß. Die musikalische Bedeutung von Liegnitz 1941 wäre etwa gleich der des heutigen Hagen oder Wuppertal im Ruhrgebiet. Obwohl nicht so weit von Dresden entfernt, ist nichts entdeckt worden, was darauf hinweist, ob Draeseke irgendwann Verbindungen zu Liegnitz gehabt hätte.

Das ganze Programm für das Fest 1941 ist vollständig an der Draeseke Webseite zu lesen. Das Programm wurde damals von der Liegnitzer Konzertgesellschaft angekündigt. Dieses Programm erschien auch im Frühjahr 1941 im Mitteilungsblatt Nr. 6 der damaligen Felix Draeseke Gesellschaft. Erst im April 1943 im Mitteilungsblatt Nr. 7 wurden die Gründe der Einstellung des Festes bekannt gegeben. Wie es sich ergeben hat, ist Mitteilungsblatt Nr. 7 das ausser Frage letzte Mitteilungslatt der Felix Draeseke Gesellschaft, welches herausgegeben wurde. Das Heftlein ist kaum 20 Seiten lang, aber darin gibt es einen Schatz höchstwertvoller Auskunft der heutigen Draeseke Forschung, vor allem in bezug auf Draesekes Violinkonzert. Auf der achten Seite wird ein den 3ten Juli 1941 datierter Brief von dem Liegnitzer städtischen Muikdirektor und des Festes Organisatoren Heinrich Weidinger abgedruckt. Der Brief wurde kurz nach Beginn des Rußland Feldzugs ausgestellt und enthält hauptsächlich kriegsverbundene Gründe, warum die geplante Felix Draeseke Feier eingestellt werden mußte. Gleich nach dem Brief Weidingers im Mitteilungsblatt 7 erfährt man, daß Draesekes am 14. November 1942 verstorbene Witwe Frida die Kosten der Herstellung der Orchesterstimmen für die sinfonischen Dichtungen Frithjof und Julius Caesar auf sich genommen hatte. Frithjof wurde im Fest programmiert, Julius Caesar nicht. Überrraschend ist zu entdecken, daß geplant war, daß Frithjofs Uraufführung im selben Programm mit der Uraufführung des Violinkonzerts (Programm 1) stattfinden sollte, zwar mit Willibald Roth dem damaligen ersten Konzertmeister der Dresdner Staatsoper. Da nicht erwähnt wird, daß sich Frida Draeseke auch geldlich für Orchesterstimmen des Violnkonzerts verantwortlich gemacht hatte, kann man annehmen, daß diese Stimmen entweder schon existierten oder, daß jemand anders sich darum gekümmert hatte.

Die Situation in Bezug auf Draesekes Violinkonzert verläuftt von diesem Punkt an noch komplizierter. Einige Seiten weiter im Mitteilungsblatt Nr. 7 von 1943 liest man, daß den Wünschen in Fridas Testament, dem Nachlaß ihres Mannes gemäß, worttreu gefolgt werden: nämlich, daß sämtliche handschriftliche Materialien von Felix Draeseke – Musik und Korrespondenz – dem Dresdner Staatsarchiv übergeben werden sollten. Ein gewisser Dr. Müller-Benedict war für die Annahme und das Eintragen des Materials verantwortlich. Dem Vorstand der damaligen Felix Draeseke Gesellschaft schickte Müller-Benedict eine Liste aller gelieferten Stücke. Leider fehlt dort jeglicher Hinweis auf die Orchesterpartitur zu einem Violinkonert in E moll von Felix Draeseke, noch Aufführungsmaterial dazu. Vereinzelt steht die Violine-Klavierfassung des Violinkonzerts notiert. Die Urfassung von Müller-Benedicts Liste ist verschollen, wohl ein Opfer der Umbildung des Bibliothekwesens der DDR. Diejenigen Kopien, welche Erich Roeder und Hermann Stephani im damaligen Vorstand der Felix Draeseke Gesellschaft geschenkt wurden, sind auch verschwunden, hingegen sollte man auch beachten, daß die Nachkriegsgeschichte der aus der NS-Zeit stammenden Felix Draeseke Gesellschaft schlecht dokumentiert ist. Zwei Jahre nach dem Tode von Hermann Stephani trennte sich Draesekes Geburtstadt Coburg von geldlicher Unterstützung für Förderung des Meisters Werke und damit verfiel alle legalen Verbindungen: die 1932 gegründete Felix Draeseke Gesellschaft war tot. Wenig Menschen zu der Zeit in Coburg wiesen Interesse für Draeseke auf, hauptsächlich weil sie sich von der Verbindung ihres Komponisten zu den Nazis entfernen wollten. Aber schon gegen 1960 kam eine neue Generation zur Reife und aus dieser Gruppe entstanden die verbündeten Internationale Draeseke Gesellschaft und International Draeseke Society/North America.

Durch reines Glück fand dieser Redner 1959 als Undergraduate-student an der Universität Syracuse in den USA einen begeisterten Förderer seines Interessens an Felix Draeseke. Die neuangestellte Musikbibliothekarin der Universität, Antje Lemke, sogar Tochter des bekannten Theologen Rudolf Bultmann, nahm ihn unter ihre Flügel. Weil ich damals mit dem Auftragsgeber für Alban Bergs Violinkonzert Louis Krasner Violine studierte, fiel es mir ein, daß vielleicht er Interesse hätte, Draesekes Violinkonzert aufzuführen. Frau Lemke verfasste mir einen Brief auf Deutsch an Hermann Stephani. In seiner nun praktisch fünfzig Jahre alten Antwort auf meinen Brief, schreibt er: „Das Konzert liegt wohl heute in russischem Bestand“. Diese Worte bleiben bis auf den heutigen Tag die einzige Spur des Aufbewahrens der Orchesterpartitur von dem Konzert in E moll für Violine und Orchester, WoO 15 von Felix Draeseke.

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