Felix Draeseke: Quintet in F for Two Violins, Viola, and Two Celli, op. 77 (1901)

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Quintett F-Dur op. 77 von Felix Draeseke

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Vorwort zur Neuauflage

Felix Draesekes Kammermusik nimmt im Gesamtschaffen einen durchaus gleichberechtigten Rang neben Sinfonik, Chor- und Opernschaffen ein. Drei Streichquartette, Sonaten und Suiten für unterschiedliche Besetzungen mit Klavier sowie drei Quintette liegen vor.

Felix Draeseke 1907Bei dem hier in einer Neuauflage vorgelegten Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli F-Dur op. 77 handelt es sich um ein Alterswerk Draesekes, der in seinem Spätstil hohe Meisterschaft der kompositorischen Mittel mit einer reifen Abgeklärtheit in der Darstellung von Seelenzuständen verbinden konnte. Vor diesem Hintergrund ist das Quintett op. 77 besser zu verstehen. Der offensichtliche Gegensatz zwischen der in düsteren Farben gehaltenen Einleitung und der Thematik der Sätze wird einleuchtender. Das Werk ist Draesekes letzte große Kammermusik und es entstand um die Jahreswende 1900 / 01, also in der Nähe seiner großen und berühmten Alterswerke, des Mysteriums "Christus" und der Oper "Merlin"; der "Christus" lag schon abgeschlossen vor, "Merlin" war soeben begonnen (1905 dann vollendet). Vollendet wurden vom Quintett op. 77 der 1. Satz am 5. November 1900, der 2. Satz am 25. Januar 1901, der 3. Satz am 11. Januar 1901 und der 4. Satz am 16. Februar 1901. Die Uraufführung des vollständigen Werkes erfolgte am Sonnabend, dem 13. Juni 1903, in Basel in einer Matinee der 39. Tonkünstler-Versammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins nach dem Manuskript. Eine weitere Aufführung folgte am 28. Dezember 1903 in Dresden. Im Druck erschienen Partitur und Stimmen im August 1903 bei N. Simrock, Berlin.

Die Einleitung ist thematisch-harmonische Keimzelle des Werkes. Es ist ein hervorstechendes Merkmal in Draesekes Schaffen, dass er um das Ganze eine Klammer schließt, die aus einem Grundgedanken gewonnen wurde. Dies zeigen schon die frühen Werke (Klaviersonate u. a.) wie auch solche aus der späteren Schaffenszeit (Sinfonia tragica. Auch beim Requiem op. 22, das die Reihe der großen Chorwerke einleitete, herrscht das Prinzip vor, aus einem Grundgedanken das ganze Werk zu formen.

Die 13 Takte der Einleitung (langsam und düster) lassen nicht ahnen, dass ein im Grunde heiter gestimmtes Werk beginnt. Was sich dann aus dem einsam einsetzenden Cis der Viola entwickelt, zeigt den Meister auf der Höhe seiner Kunst. Die alterierte Quinte Cis, mit der das Hauptthema in charakteristischer Wendung beginnt, ist hier vorgebildet. Das 1. Thema ist sanglich und von einfacher Lyrik. Denkt man einmal daran, dass Humor die Frucht oft schwerer Erschütterungen ist, so könnte man die Einleitung und das sich daraus Entwickelnde als ein Abbild davon ansehen. - Mit quälenden Vorhalten erheben sich die ersten Töne von dem erwähnten Des zur höheren Oktave; im 2. Takt wird die motivische Verwandtschaft zum späteren Hauptthema offensichtlich; der 4. Takt bringt den Tonbereich der neapolitanischen Sexte ins Spiel, was für den langsamen Satz bedeutsam wird, und schließlich ist mit dem Drei-Ton-Motiv im 9./10. Takt das Kopfmotiv des 1. Finalthemas vorgebildet. Wie aus einer Knospe erblüht aus den Einleitungstakten später das ganze Werk. Außerdem werden sie im Gang der Ecksätze noch einige Male zitiert, was Draesekes Absichten klar unterstreicht.

Nach 13 Takten Einleitung setzt der 1. Satz mit dem Hauptthema ein (4/4, F-Dur, noch einmal so schnell, aber ruhig), welches wiederholt wird. Es wird aus zwei synkopischen Melodiebögen gebildet und mit einer Weiterführung auf acht Takte erweitert. Es folgt eine Modulation in die Dur-Parallele (D-Dur), in der das 2. Thema angestimmt wird. Diesem geben scharf rhythmisierte Sexten ein etwas anderes Profil, obwohl es seinen lyrischen Grundton behält, was mit Seufzer-Motivik und Orgelpunkt unterstrichen wird. Gegen Ende der Exposition wird noch ein 3. Thema eingeführt. Seine ruhig fließenden Achtel runden das thematische Material ab. Aus ihm gewinnt Draeseke jene Tonwiederholungen, die schon aus der Einleitung ins Allegro hinüberführten. Mit dem Zitat des Kopfmotives endet die Exposition, und die Durchführung beginnt. Im nun folgenden Abschnitt gewinnt ein Subdominant-QuintsextAkkord Bedeutung; er kommt zweimal vor (Takt 83 und 87). Seine zweite Auflösung bringt die völlig unerwartete Wendung nach Es-Dur, in welcher Tonart das 3. Thema erscheint. Bevor die Rhythmik durch Sechzehntel eine gewisse Beschleunigung erfährt, taucht über dem verkürzten Kopfmotiv im Bass (Takt 92) ein ähnlich kühner modulatorischer Vorgang wie in der Einleitung (Takt 11) auf. Er bringt das Geschehen nach Des-Dur und lässt das 2. Thema erklingen. Die Durchführung ist mit 41 Takten eigentlich kurz. In Takt 109 beginnt die Reprise; das Hauptthema erscheint versteckt im 2. Violoncello und wird dann durch die Stimmen in höhere Lagen geführt. Im ganzen Wiederholungsteil erscheint die Folge der 3 Themen erneut, allerdings mit einer Gewichtsverlagerung auf das 2. Thema. Hervorzuheben ist die schöne Art, wie nun aus der Motivik des Hauptthemas die Einleitung herbeigeführt wird, die mit ihren düsteren Anklängen sich hier wieder meldet. Nach einer Wendung in ges-moll wird das Kopfmotiv zitiert und ein rascher Schluss erzielt.

In Draesekes Werken befinden sich bemerkenswerte Scherzi, die für ihn typisch sind: nämlich solche im geraden Takt, und man findet sie in der 1. und 2. Sinfonie sowie in der Kammermusik. Das folgende Scherzo (l14, F-Dur, sehr schnell und prickelnd) gehört in diese Reihe glanzvoller Stücke voll übersprudelnden Humors.

Das Thema ist 5-taktig. Dass es dem Hauptthema verwandt ist, wird klar am Spitzenton Cis nach der 1. Sechzehntelkette. So erhält die vormals klagende, später lyrische Wendung nun eine Variierung ins Humorvoll-Witzige. Die drei folgenden Pizzikato-Takte machen den Ulk vollständig. Der ganze erste Teil des Satzes lebt von diesen Motiven. Ein 2. Teil (dem Trio entsprechend) bringt etwas Beruhigung. Einige Überleitungstakte führen zu einer getragenen und ausdrucksvollen Weise, die sich als abgewandeltes 2. Kopfsatz-Thema entpuppt. Dabei fehlt auch der früher erwähnte Orgelpunkt nicht. Die Triolen-Motivik unterstreicht den freundlichen, fast pastoralen Charakter dieses Zwischenteils. Zwei Überleitungstakte bilden das Bindeglied zur Wiederholung des Scherzos.

Dreseden at duskJene bereits erwähnte Rückung in die Tonart der neapolitanischen Sexte (siehe 4. Takt der Einleitung) gibt das harmonische Gerüst für das zarte Thema des 3. Satzes (4/4, f-moll, langsam und getragen). In zwei großen Melodiebögen wird jeweils eine Oktave abwärts durchschritten und der 2. Bogen steht in Ges-Dur. Ein zweimalig aufsteigendes Achtel-Motiv antwortet. Dieses viertaktige Thema wird vom 1. Violoncello wiederholt. Nach einigen Überleitungstakten wird ein zweiter Gedanke eingeführt (12/8) und von der 1. Violine bis in die höchsten Lagen getragen. Eine neue fließende Begleitfigur kontrapunktiert das 1. Thema - als Steigerung nun von 1. Violine und 1. Cello, später sogar von den drei Mittelstimmen gemeinsam vorgetragen. Gleich darauf setzt das 2. Thema über Synkopen ein, und nach einer harmonisch ungewöhnlich dichten Verarbeitung wird mit dem fallenden Tonleitermotiv der Satz zu Ende gebracht. Die von der Viola begleitete 1. Violine spielt das lyrische Hauptthema zum letzten Mal, bevor eine kräftige Dominante den Schluss fordert; und wie im Rückblick spielt in diesem Schluss jenes Des wieder seine bestimmende Rolle. Der Satz schließt auf einem Unisono- F.

Das Finale beginnt mit der düsteren Einleitung des 1. Satzes (4/4, langsam und düster). Doch nun wird aus dem Material ein ganz anderes, im Charakter aufstrebendes und energisches Thema gewonnen. Diese Wendung wird durch Wiederholung gefestigt. Dann erscheinen Triolen, die dem Finale sein dahinjagendes Gepräge geben, und führen das Allegro nach vorherigem Accelerando herbei. Dieser Schluss-Satz (rasch und feurig) hat mehr die Form eines Rondos - dem markanten Hauptthema folgt eine Reihe weiterer Themen. Das erste ist viertaktig und wird wiederholt. Nach der kurzen und überraschenden Wendung nach D-Dur wird schon das 2. Thema (graziös) eingeführt; es ist zweitaktig und wird ebenfalls - in symmetrischer Anordnung - wiederholt. Dann tritt das Finalthema wieder auf, gefolgt von einem ausführlichen Modulationsteil, der zum Eintritt des 3. Gedankens führt, der mit seiner viertaktigen Anlage und lyrischem Ton wohl als eigentlicher Gegensatz zu verstehen ist - wie sich in der Folge auch zeigt. Zunächst tritt gleich danach aber das 4., wieder kürzere Thema ins Geschehen ein, womit alle Themen im Spiel sind. Es folgen zwei interessante Takte insofern, als sie im rhythmischen Gewand des Kopfsatzthemas erscheinen. Dann führen die beiden zuletzt gebrachten Gedanken zu einer überraschenden Begegnung mit dem Hauptthema aus dem 1. Satz, enggeführt zum Bass und in strahlendem Fortissimo, und sofort danach wird es vom Finalthema sozusagen eingeholt und die beiden Hauptthemen der Ecksätze treten zusammen auf. Zweifelsohne liegt hier der dramatische Höhepunkt des ganzen Quintetts. In einem längeren Teil herrscht nun das graziöse 2. Thema vor.

Wuchtige Akkorde über scharfen Bass-Achteln zeigen das Hauptthema erneut. Die vier Überleitungsnoten im Piano, die schon vorhin das graziöse 2. Thema einführten, gewinnen plötzlich an Bedeutung, wenn der Komponist mit dieser Wendung schließlich wieder den "Ur-Ton" Cis erreicht und damit zum letzten Male die Einleitung erklingen lässt. Nach diesem Ruhepunkt werden die Themen nochmals in enger Folge durchgeführt, und ähnlich wie in der Sinfonia tragica löst sich das markante Finalthema nach seinem letzten Auftrumpfen sozusagen in seine Bestandteile auf. Breite Pianissimo-Harmonien über den weiter hastenden Triolen des 2. Cellos führen abschließend in das Zitat des Haupt-Themas von diesem Quintett. Nach einer schlichten Kadenz verklingt Draesekes letzte große Kammermusik in verklärter Zartheit aus.

Der Verlag Walter Wollenweber, München-Gräfelfing, hat in seiner Reihe UNBEKANNTE WERKE DER KLASSIK UND ROMANTIK schon vielfach sein Engagement auch für Werke von Felix Draeseke unter Beweis gestellt. Zuletzt erschien 1990 in Zusammenarbeit mit der Internationalen Draeseke-Gesellschaft e. V. Coburg das Streichquartett Nr. 2 op. 35, welche Neu-Edition ein breites Interesse gefunden hat. Auch an den Neudruck des hiermit vorgelegten Streichquintetts op. 77 knüpft sich die Hoffnung auf ein breites Interesse an der Kammermusik Felix Draesekes ebenso wie der in bewusster Absicht erfolgte Hinweis auf das Gesamtwerk eines Komponisten, der im Umfeld von Richard Wagner und Franz Liszt seine Eigenständigkeit vielfach bewiesen hat. Draesekes Jugendfreund Hans von Bülow hat in einem anderen Zusammenhang ein Wort geprägt, das hier wiederholt werden darf: "... Alles, was dieser Komponist bisher der Öffentlichkeit übergeben hat, ist nur geeignet gewesen, ihm die Hochachtung und die Sympathie der Gebildeten zu erwerben. Er hat vollen Anspruch darauf, von vornherein mit dem einem Meister geziemenden Respekt behandelt zu werden. Wo ihm dieser versagt wird, ist eine Lücke in der Kenntnis der Musikliteratur anzunehmen und der Rat, selbige baldigst auszufüllen, am Platze. Der Komponist hat mit Arbeiten debütiert, die eine solche Reife des Geistes, einen so seltenen Fonds von Wissen und Können offenbaren, dass die Unbekanntschaft mit demselben nur einem Dilettanten zu verzeihen ist!"

Vorzüglichen Dank für das Zustandekommen dieser Edition schuldet die Internationale Draeseke - Gesellschaft e. V. in erster Linie der Niederfüllbacher Stiftung, sodann aber auch der Musikabteilung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, welche die Originale des Erstdruckes der Stimmen von 1903 zur Verfügung stellte. Die Partitur wird in einem Neustich vorgelegt.

© Udo-R. Follert 1992/2003

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Draeseke's Quintet in F, op 77 on CD
 

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Quintet in F for Two Violins, Viola, and Two Celli, op. 77 (1901); Quintet in A for Two Violins, Viola, Violotta, and Cello, WoO 25 (1897) 'Stelzner-Quintett'

Acantus String Quartet-Magdeburg: Wolfgang Hasleder and Megumi Makino [violins], Fridtjof Keil [viola], Nikolaus Gädeke [cello]; Johannes Hartmann [cello II] 

Draeseke had already written his three string quartets when he composed his String Quintet in A. The fifth instrument, the "violotta", was developed by the Wiesbaden cellist and composer Dr. Alfred Stelzner. The violotta has been described as a tenor viola; it is a rarely used instrument that attracted Draeseke's attention. The Quintet in F from 1901 is considered by some as the composer's most important chamber work.

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