Erschienen am 22.06.2009 00:00
Überraschendes Werk des Coburger Komponisten
Bad Rodach - In Meiningen wurde gestern das "Violinkonzert in e-Moll, WoO 15" des in Coburg geborenen und in Dresden lehrenden und begrabenen Felix Draeseke (1835-1913) zur Uraufführung gebracht. Einen Tag vor der Uraufführung lud die Internationale Draeseke Gesellschaft zu einem Gesprächskonzert nach Bad Rodach.
Die Zuhörer dieses Gesprächskonzerts erfuhren die spannende und überraschende Geschichte des Werkes, das Draeseke 1881 innerhalb eines Jahres vollendet hatte, und das nie zur Aufführung gelangte. Nur der langsame Satz des "Adagio" wurde in einer Bearbeitung durch Hans Benda gedruckt.
Professor Alan Krueck aus den USA stieß schon 1959 während seines musikwissenschaftlichen Studiums und der Arbeit an Alban Bergs Violinkonzert auf Felix Draeseke. Sein verschollenes Violin-Konzert ließ ihn nicht mehr los. Seit 1996 arbeitete er bis zu einer ersten Ergebnisstudie an der einzig vorhandenen von Draeseke stammenden Fassung eines Klavierauszugs des Konzertes für Violine und Orchester, das lediglich als Klavierfassung "uraufgeführt" werden kann.
Felix Draeseke schloss sich zunächst einem musikalischen und schriftstellerischen Feldzug um Liszt und Wagner gegen die Konservativen um Robert Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy an. Deren Verpflichtung der Wiener Klassik gegenüber sollte überwunden werden.
Als musikalische "Fortschrittspartei" sammelten Draeseke, Raff, Peter Cornelius, Hans von Bülow und andere "Neudeutsche" zu einer stimmgewaltigen Kampfgruppe gegen die Tradition. Während er sich wandelte und letztlich zu Mendelssohn zurückkehrte, nutzten seine Nachlassverwalter nach seinem Tod vor allem im NS-Staat seine neudeutsche Bodenständigkeit, um ihn für sich posthum zu vereinnahmen. Daher wurde sein Violinkonzert, das er wegen seiner Arbeit an nordischen Opern und anderen Werken nicht an den Geiger bringen konnte, und das letztlich in den Besitz der Dresdener Landesbibliothek überging, nie aufgeführt. Lediglich das "Adagio" bearbeitete und spielte Hans Benda, der Konzertmeister des Leipziger Gewandhauses 1886..
Während oder nach dem II. Weltkrieg ging die Dresdner handschriftliche Partitur verloren. Es bleibt spannend, ob die anhaltende Suche nach diesem an Mendelssohns Violinkonzert, aber auch an die Virtuosität eines Berriot und Henri Wieniawski erinnernde Musik, noch zu einem späten Erfolg führen wird.
Wolfgang Müller-Steinbach (Mannheim), der als Komponist und Pianist mit Draeseke vertraut ist und an einer Rekonstruktion der Partitur arbeitet stellte am Samstag zusammen mit der Geigerin Julia Röntz ("Quadriga-Quartett") die im Klavierauszug verbürgten Teile vor und stellte sie der Hans-Benda-Fassung gegenüber. Die Bearbeitung durch Benda trägt deutlich Züge neoromantischer Salonmusik, der eine schlichte, aber harmonisch gewagte und elegante Überwindung - und Rückkehr zugleich - des klassischen Sonatensatzes Felix Draesekes widerspricht. Gerade die musikalische Darbietung dieses Kontrastes beider Fassungen machte das Einführungs-Konzert spannend und erweckte auf eine bereinigte Neufassung dieses Violinkonzertes große Neugier.
Wolfgang Müller-Steinbach am Flügel und vor allem Julia Röntz auf einer technisch brillant gestimmten Geige überzeugten schon in dieser kurzen Demonstration. Auf die "zweite" Uraufführung der neuen Gesamtpartitur darf man gespannt bleiben
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Wolfgang Müller-Steinbach und Julia Röntz stellten in einem Gesprächskonzert das Violin-Konzert von Felix Draeseke vor. Foto: Müller
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