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Noch während der Arbeit am Requiem op. 22 begann Draeseke mit der Niederschrift seines ersten Streichquartetts, das zugleich seine erste Kammermusikkomposition überhaupt ist. Er vollendete es im Frühjahr 1880. In seiner Kammermusik knüpft Draeseke an Schumann an, fand aber sogleich seine eigene Tonsprache. Diese Werke, die zwischen Brahms und Reger einzuordnen sind, unterscheiden sich wohltuend von manchen Schöpfungen seiner Zeit, die oft nur in Quartettsatz gebrachte Sinfonien oder Klavierkompositionen darstellen.
Draesekes erstes Streichquartett steht noch ganz in der Tradition der klassischen Form. Der erste Satz beginnt mit einer achttaktigen Melodie, die sich, durch 16te1-Auftakte und markante Vorhalte gegliedert, als einprägsames Thema erweist. Der schlicht begleitete, aber rhythmisch geprägte Nachsatz, aus tiefer Lage aufsteigend, endet in einem hochliegenden Halbschluß. Nach fünf Überleitungsnoten folgt das zweite Thema, das - obwohl in seiner rhythmischen Gestalt dem Nachsatz verwandt - durch einen Orgelpunkt auf B, später Es als deutlicher Gegensatz wirkt. Bevor die Exposition mit einem Nachsatz im Violoncello schließt, wird noch ein Achtelmotiv eingeführt und durch Kadenzen zu Endegeführt. Von ihm und dem markanten 16te1-Motiv des Hauptthemas wird auch die folgende Durchführung beherrscht. Schließlich leitet dieses Motiv in die Reprise über, in der nun das Hauptthema vom Violoncello kontrapunktiert erscheint. Das graziöser gehaltene zweite Thema führt auf breitem Raum zum Satzschluß in C-Dur.
Der zweite Satz, ein Largo (As-Dur, 12/8) kann neben den großen Meisterwerken der Quartettliteratur vor allem durch seinen Melodienreichtum jederzeit bestehen. Das Hauptthema des Satzes erklingt als Zwiegesang zwischen beiden Violinen über BordunQuinten der tiefen Instrumente. Der nachfolgende Mittelsatz löst die Linien innerhalb aller Stimmen in eine fließende 16-tel-Bewegung auf, die sich dann bei der Wiederkehr des Hauptthemas als Begleitfigur fortsetzt, während seine Trillerfiguren und chromatischen Sextengänge den Satzschluß bilden.
Als dritter Satz folgt ein Menuett in c-Moll, dessen Thema unter Motivversetzung vom ersten Thema des Kopfsatzes abgeleitet ist, wobei seine streng diatonische Fortführung fast zu traditionell wirkt, aber das sich anschließende Intermezzo - statt des Triosatzes - durch seine zwei Gedanken diesem Eindruck wieder entgegenwirkt: ein lyrisch gehaltenes Baßthema wird von einer kapriziösen Figur im Tarantella-Rhythmus abgelöst, eine handfeste Kadenz macht dem humorvollen Treiben schließlich ein Ende.
Das Finale in Rondoform ist von übersprudelnder Lebensfreude. Seine Wirkung beruht auf der Gegensätzlichkeit zweier Themen: eines aus aufsteigenden Achtelgängen mit nachfolgenden Akkordschlägen zwischen Violinen einerseits und den beiden nachschlagenden tiefen Instrumenten andererseits geformt, das zweite von einer ausdrucksvollen Ruhe und Breite, zunächst vom Violoncello vorgetragen und dann von den Violinen übernommen, wobei die Viola mit einer Triolenfigur als Begleitfigur hinzutritt. Plötzlich abgebrochen, wird nach einer durch eine Fermate markierte Zäsur erneut der erste Gedanke gebracht, der sich nun als Einleitung zu einer Fuge mit drei Durchführungen darstellt. Die zweite Durchführung erscheint als Engführung, die dritte als Umkehrung davon. Die Fuge mündet schließlich in eine Art Reprise, die sich als solche jedoch erst durch die gewichtigen Akkordschläge des Anfangs zu erkennen gibt. Mit dem zweiten Thema erscheint wiederum auch die Triolenbewegung wie zu Beginn; der anschließend gebrachte Hauptsatz enthält auch die Achtelbwegung des zweiten Themas, das nun zuletzt eine gleichsam den Schluß beherrschende Coda bildet.
Dank schuldet der Herausgeber in erster Linie der Niederfüllbacher Stiftung in Coburg, die das Zustandekommen dieser Edition ermöglicht hat. Die Musikabteilung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe wie auch die Musikabteilung der Sächsischen Landesbibliothek Dresden stellten als Unterlagen für diese Neuausgabe die in ihrem Besitz befindliche Partitur bzw. Stimmen des Erstdrucks zur Verfügung und erteilten die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung. Auch dafür sei herzlich gedankt.
Udo-R.Follert
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