Dabringhaus und Grimm MDG 335 1041-2 [CD] FELIX DRAESEKE: Wuppertal Symphony Orchestra, Ltg. George Hanson |
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Als Felix Draeseke nach dem Erlebnis von
Richard Strauss´ "Salome" in Dresdens Semperoper 1906 mit seiner
Streitschrift "Die Konfusion in der Musik die neue Musik in
diesem "Mahnruf eines 70-Jährigen kritisch sichtete, lieferte er
den konservativen Traditionalisten Argumente und, missverstanden,
später für nationalsozialistische Kulturpolitik Grundlagen des
antimodernen Kulturkampfes. Das führte bei den fortschrittlich
orientierten Musikern zu schroffer Ablehnung. Er galt als suspekt,
seine Werke, als reaktionär und veraltet verschrieen, wurden kaum
aufgeführt. Seit der Gründung einer Draeseke-Gesellschaft 1986 in
des Komponisten Geburtsstadt Coburg begann eine allmählich breiter
werdende Pflege seiner Werke. Kammermusik wurde in Noten, auf
Schallplatten und CDs zugängig, das Mysterium "Christus" in
Speyer und Heilbronn aufgeführt und auf CD gebannt. Seine 3.Sinfonie,
die "Symphonia tragica, 1888 durch Ernst von Schuch und die
Dresdner Hofkapelle aufgeführt, galt damals neben Bruckners und
Brahms´ Symphonien als gleichwertig. 1898 übernahm Arthur Nikisch
dies Werk ins Repertoire des Leipziger Gewandhauses und interpretierte
es 1902 auch in Hamburg und Berlin (der Dirigent rühmte es
begeistert als "herrlich gigantisch"). 1910 propagierte es Hans
Pfitzner in Straßburg. Und nun 100 Jahre später zeichnet sich eine
Wiederentdeckung ab.
In einer Aufnahme vom Dezember 1997 legte die Radio-Philharmonie Hannover des NDR unter Jörg-Peter Weigle im Jahr 2000 die Sinfonie vor (cpo 999 581-2) und 2001 folgte das Wuppertaler Symphonieorchester unter George Hanson mit einer im Juni 2000 erstellten Produktion von MDG. Der derzeitige Chefdirigent in Wuppertal, der nach Hanns Martin Schneidt und Peter Gülke seit 1998 an der Spitze des Ensembles steht, akzentuierte die dramatische Schlagkraft des viersätzigen Werkes in wirkungsstarker Interpretation. Aus dem Andante der Einleitung mit tragischer Geste des Tones g mit anschließendem Sarabanden-Rhythmus (ähnlich dem Beginn von Beethovens "Egmont-Ouvertüre" nur einen Ton höher) sowie dem Kontrast von Hörnerklängen auf C-Dur-Weben der Streicher, ähnlich Webers "Freischütz-Atmosphäre," entfaltet sich im Allegro risoluto jene dramatische Zuspitzung wahrer sinfonischer Tragik, die dem Werk den Titel gab. Scharfe Kontraste treffen hier aufeinander. Wenn auch am Ende die Trompete sieghaft Lösung andeutet, führt doch der 2.Satz "Grave" (Adagio ma non troppo) zu düsterer Trauer-marsch-Akzentuierung, die allerdings immer wieder durch melodische "religioso-Tröstungen aufgelockert wird. Sehr markant, eindringlich wird die Steigerung dieses Kontrastpaares durch George Hanson mit seinen Musikern vorangetrieben, die Konflikthaftigkeit dieses a-Moll-Satzes nach ermattetem Zurückfallen in A-Dur versöhnlich aufgehoben. Nach dem in C-Dur gehaltenen Scherzo (Allegro vivace) von fast Brucknerschem Charakter, quicklebendig vorwärtstreibend und mit einem "un pochettino più lento ausgestaltetem Des-Dur-Trio nimmt der schicksalhaft tragische Zug des Werkes im Finale (Allegro con brio) erneut an Intensität zu. Beginnend mit einem zwar an Mendelssohn erinnernden, scherzanden Tarantella-Rhythmus, wird sehr bald mahnend mit Themen der vorangegangenen Sätze die Tragik reanimiert, der Grundzug des sinfonischen "Anrennens nach fugierender Passage emporgetrieben zu Fortissimoschlägen auf g, an den Anfang der Sinfonie erinnernd. Verklärende Lösung geschieht durch das Aufgreifen der idyllischen Waldromantik des Weberschen Hörnerklangs der Einleitung. Atemberaubende Steigerungen voller Intensität und zarte Verhaltungen lyrischer Versonnenheit prägen diese bewegende Wiedergabe des Werkes durch die Wuppertaler Symphoniker. Die ergänzenden Einspielungen dieser Draeseke-CD geben ein verbreitenderes Bild des aus Coburg gebürtigen Wahl-Dresdners seit 1876. Die Ouvertüre zur Oper "Gudrun" von 1882 zeigt die sinfonisch verkürzte Opern-Problemstellung der Hegelinger Königstochter Gudrun in der Gefangenschaft der Normannen, bedrückt klagend, zu erniedrigender Fronarbeit gezwungen, aber überzeugt vom Sieg der Rache ihrer Stammensbrüder, die dann nach kämpferischer Auseinandersetzung in einer Apotheose des Rachegesangs gipfelt. Gudrun ist befreit. Plastisch wird dieser Prozess hier genauso lebendig gestaltet wie die unselige Liebe der Amazonenfürstin Penthesilea in dem von Richard Strauss 1890 bei der Eisenacher Tonkünstlerver-sammlung uraufgeführten Symphonischen Prolog nach Kleists "Penthesilea-Schauspiel." Der Komponist orientiert sich auf differenzierte Weise an den Charakterbildern der Protagonisten,an dem "Furien-Grimm der durchaus liebesfähigen, aber auch unberechenbar exaltierten Fürstin und dem griechischen Helden Achill, kraftprotzig, aber auch gefühlvoll. Liebe kommt ins Spiel, aber auch Amazonen-Rache. Am Ende erschlägt Penthesilea auf bestialische Weise Achill. Wilde Fortissimo-Akkorde markieren den Rachemord. Aber auch die Amazone endet in Verzweiflung und Liebestod. Aber nicht Wagnersche "Tristan-Klänge herrschen vor, mehr dramatische Schlagkraft antiker Tragödie. Der der CD beiliegende Text von Matthias Schäfers bleibt erhellende Information oft schuldig, so dass ein programmbezogenes Einhören erschwert bleibt. Aber die Aufnahme der Wuppertaler Musiker unter George Hanson ist von unmittelbar dramatischer Schlagkraft und vermag auf die musikalisch packende Gestaltungsfähigkeit Felix Draesekes aufmerksam zu machen und Freunde für diese Musik zu gewinnen. Dr.Friedbert Streller [Home] |
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