FELIX DRAESEKE: VIOLIN CONCERTO IN E MINOR, WoO 15 (Erich Roeder)

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Sections on Draeseke's Violin Concerto from Erich Roeder’s biographical study of Felix Draeseke and his works, Felix Draeseke Der Lebens und Leidensweg eines deutschen Meisters in the original German with English translation. As has been noted elsewhere at the Draeseke website, nowhere in the 600-plus pages of Erich Roeder’s biographical study of Felix Draeseke does it contain musical examples for works discussed, an inexplicable omission for such an undertaking. For those interested in matching the references in Roeder’s analysis of the violin concerto – clearly based on use of the now lost orchestral score – the IDG is pleased to make available a reproduction of the violin/piano reduction, which was used for the concerto’s world premiere on 21 June 2009 in Meiningen Germany.
English

Erich Röder schreibt zum Violinkonzert von Felix Draeseke in seiner Biographie:

Um 1881 schrieb Draeseke sein dreisätziges Violinkonzert. Der am 1. Mai 1881 beendeten Partitur des ersten Satzes folgte am 12. Juli die der beiden anderen. Damit war das Werk abgeschlossen, dass von all seinen Werken das merkwürdigste Schicksal erlebte. Es geriet nachher völlig in Erich Röder: Felix Draeseke – Der Lebens- und Leidensweg eines Deutschen MeistersVergessenheit. Draeseke selbst hat es nicht einmal in sein Werkverzeichnis aufgenommen. An all dem war wahrscheinlich die Solostimme schuld. Bei dem damaligen Stand der Technik bedurfte sie einer Bearbeitung. Zwei Jahre nach der Fertigstellung glaubte Draeseke, hierfür den rechten Mann gefunden zu haben. August Wilhelmj erhielt es als Erster. Er schrieb am 22.06.1883: „Ihr Geigenkonzert gefällt mir sehr; nur müssten viele Änderungen in der Prinzipalstimmung vorgeschrieben werden, um dieselbe spielbar und brillanter zu machen.“ Er hoffte, bis zum Winter damit fertig zu sein, versicherte auch nach einigen Wochen seine Freude an der Arbeit. Seine Konzertvorbereitungen und Tätigkeit in Bayreuth lenkten ihn aber offenbar ab. Nachdem das Konzert, mit einigen Doppelgriff Vereinfachungen versehen, mehrere Jahre in Biebrich am Rhein geschlummert hatte, nahm sich der Gewandhauskonzertmeister Brodsky seiner an. Er spielt das Adagio im April 1886 bei einer geistlichen Abendmusik in Leipzig. Mehr tat er aber auch nicht. Da Draeseke damals einen Verleger und so Gelegenheit zur Veröffentlichung hatte, erbat er im Oktober 1888 das Konzert zurück. Doch wollte er es vor einer Aufführung nicht herausgeben. Hierzu fand sich aber niemand bereit. So blieb das Werk liegen. Erst nach seinem Tod erschien das Adagio in einer Bearbeitung mit Klavierbegleitung. Die Bearbeitung von Jean Benda stimmt mit der Urschrift nicht überein.

Gerade dieser zyklisch angelegte 2. Satz (3/4 Adagio F- Dur) hätte unseren, um ein gutes neues Konzert verlegenen Geiger aufmerksam machen müssen. Unter den stets herausragenden langsamen Sätzen Draesekes ist er einer der schönsten. Kenner werden ihm einen Platz neben dem des Brahmsschen zubilligen. Schon das von den Streichern unter baldiger Holzbläser Unterstützung vorgetragene Hauptthema rührt in seiner fast religiösen Innigkeit und weihevollen Gesanglichkeit sofort ans Herz. Eindringlich spricht zu ihm der wundervolle Nachsatz, mit dem die Sologeige in versonnener Nähe auf dem Subdominant-Quintsextakkord einsetzt. Wie eine wehmütige Frage wirkt sein zwischen den Tönen klein g und klein a wechselndes Motiv, das nach sofortiger Wiederholung auf der G-Seite in mehrfacher Wiederkehr zu einer sehnsuchtsvollen Melodie anwächst. In zwei triolenbewegten Einzelgängen leitet die Geige zum zweiten Thema über. Dieses wirkt als Fortsetzung des ersten, trotz seiner sieghaften Breite (Glorioso) die eine Gegenmelodie belebt. Nach ausgekostetem Rückweg spielt die Violine allein den Anfang des wiederkehrenden Hauptthemas. Zu dem in erbauenden Bläsersatz erscheinenden zweiten Thementeil tritt sie mit ruhigen 32tel-Gängen und nützt diese Bewegung zur Umschreibung des Nachsatzes. Ihr leidenschaftliches Hinstreben zum hohen a gipfelt in dem kräftig untermalten Oktav-Vortrag des zweiten Themas. Auch dieser verebbt in Triolen. Nach kurzem Zögern tritt noch einmal der Nachsatz ein. Ein Triller auf dem hohen e endet mit dem verklärenden, trugschlussartigen Subdominat-Quartesextakkord [sic]. In beinahe weltentrückter Höhe ertönt das Nachsatz Motiv noch einige Male wie eine Stimme aus dem Jenseits. Mit einem gehaltenen hohen a, der Grundtonterz verklingt das Adagio.

In den Ecksätzen wird die Gleichung zwischen den geigerisch Dankbaren und dem Musikalischen aufgestellt. Der Kopfsatz (4/4 Allegro Appasionato) ersetzt die doppelte Aufstellung zweckbewusste durch sofortige Wiederholung jedes Themas. Das nach zwei harmoniegebenden Einleitungstakten von der Sologeige eingeführte erste Thema ist eine weitausschwingende, romantisch gefühlvolle e-Moll Weise. Sie wächst bei der Wiederholung höher und höher.  Ihr Triolenmotiv enthält Baustoff für das ganze Werk. Ein schlichter Nachsatz festigt das bisher Wogende in kräftiger Viertelbewegung.  Die Violine spielt ihn teils in Sexten, teils in der höheren Oktave mit. Bei der Wiederholung wechselt sie mit dem vollen Orchester ab, beantwortet durchführungsartig eingeworfene Hauptthemateile in der Höhe, um schließlich in Gegenbewegung mit dem Cello einem Einschnitt zuzugehen. Ein freier Zwischensatz (Animato) gibt Raum zu technischer Entfaltung. Sein rhythmisch scharfes Holzbläsermotiv löst jeweils 16tel Laufwerk aus. In Doppelgriffen führt die Geige zum zweiten Thema, einer volkstümlichen Melodie von geradezu Weberischen Innigkeit. Den großen Harmoniker verrät die feine Ausbiegung über Des- und H- Dur. Einfach und ergreifend ist das Schlussglied, das 3. Thema. Seiner Weise geben die Durchgangsketten der zweistimmig spielenden Geige feierlichen Ausdruck. Zu seiner Orchester-Wiederholung treten rauschende Akkordbrechungen. In die Durchführung schwingen Passagen und Arpeggien hinein. Das Hauptthema tritt nach mehrfacher Andeutung im Orchester auf und wird von der Violine in höchster Höhe fortgesetzt. Nach erfolgtem Abstieg strebt sie in wildem Lauf zum Gegensatz. Dieser rückt nach vorübergehender Nachahmung zwischen Bass- und Oberstimme stufenweise empor, erstrahlt kurz in G-Dur und gibt dann den Untergrund zu sprudelndem Feuerwerk. Bassumkehrungen des Hauptmotivs werden von Arpeggien umspielt. Dann kann sich die Fertigkeit des Spielers erst recht entfalten: Bei chromatischen Sexten, die abwärts eilen, bei Doppelgriffen, die in eindrucksvollen Trillern gipfeln. Das Schlussglied bringt Beruhigung und wieder neues Leben. Über einem Pauken-Orgelpunkt auf H führt die Sologeige mit den großen Melodiebögen des Hauptthemas in den Wiederholungsteil ein. Statt des ausbleibenden Nachsatzes trägt sie das zweite Thema in der tiefen Lage vor und versucht nach glitzerndem Laufwerk über dem dritten Thema ihr Glück in Oktaven. In beschleunigtem Zeitmaß werden Hauptthema und Nachsatz mitgerissen. Ein leidenschaftlicher Anhang, aus dem Hauptmotiv gewonnen, gipfelt in e-Moll Passagen bis hinauf ans Griffbrettende.

Das Finale (3/4 Allegro con brio e vivace) ist einer von Draesekes wilden, verwegenen Schlussätzen. Es nimmt ebenfalls auf den Kopfsatz Bezug. Während dort aber die schöne Melodie vorherrscht, entscheidet hier der Rhythmus. Der Satz ist ein Saltarello, ein Sprungtanz. Seine Eigenart beruht zum Teil darin, dass das Hauptthema nach zwei kräftig angeschlagenen Achteln und dahinhastenden 16tel Triolen ein hüpfendes Motiv unregelmäßig wiederkehren lässt. Die Sologeige führt, das Orchester muss sich anfangs mit den widerborstigsten Rhythmen abfinden. Ein pfiffiges 2. Thema bringt Beruhigung. Wie dies, steht auch ein beschwingter  3. Gedanke (in Terzen, später Sexten) der Volkstümlichkeit der „Komischen Oper“ nahe. Er wird vom Orchester lustig weitergeführt. Mit dem Hauptsatz beginnt das tolle Treiben von neuem. Ein tänzelnder Zwischensatz ist aus dem hüpfenden Motiv gewonnen. Seine Fortsetzung in cis- Moll wirkt ganz unmittelbar. Nach dem Triolengewoge der Geige tritt Beruhigung ein: Thema des Adagio. Danach geht es über einen Paukenwirbel mit dem 2. Thema in E-Dur weiter. Das 3. Thema folgt mit seinen Terzen und Sexten, zuerst in der Sologeige, dann im ganzen Orchester. Mit äußerster Kraft wird das  1. Thema chromatisch höher gejagt.  Ebenso das 2. Thema, das jedoch im Gegensatz dazu leise auftritt. Vor Schluss schlägt die Violine das Hauptthema 6-mal mit höchster Brillanz an. Sie pausiert während die Bässe das 2. Thema zerhacken, bestätigt dann mit rasenden Passagen und Akkorden den E-Dur Schluss und setzt so der hemmungslosen Hingabe an das tänzerische und dem Spieltrieb endlich ein Ziel.

Erich Röder: Felix Draeseke. Der Lebens- und Leidensweg eines Deutschen Meisters. Band II, Seite 94 ff)

German

Erich Roeder‘s Report on the Violin Concerto of Felix Draeseke in the Biographical Study

Draeseke wrote his three-movement violin concerto around 1881. The score to the first movement was finished May 1, 1881 and was followed by the remaining two around July 12. Therewith came the completion of a work, which among all his compositions, has experienced the strangest destiny. It passed into almost immediate neglect. Draeseke himself never once included it in his catalogue of works. Perhaps the primary reason rests with the solo violin part. Considering the level of violin technique at the time it seemed in need of reworking. Two years after its completion Draeseke believed to have found the right man for the job. August Wilhelmj was the primary candidate. Wilhelmj wrote on June 22, 1883: "Your violin concerto pleases me very much, except that many changes in the principle voice would have to be considered in order to make it grateful and more brilliant." Wilhelmj expressed hope in being finished with such efforts by winter and even a few weeks later confirmed the pleasure of engaging in such Benda's arrangement of Draeseke's Adagiowork. However, it seems apparent that his concert preparations and activities in Bayreuth distracted him from the undertaking. Thereafter the concerto, with some simplifications in solo chords, had slumbered several years in Biebrich on the Rhine, after which the concertmaster of the Leipzig Gewandhaus Orchestra took a look at it. In April, 1886 at an evening of church music in Leipzig, he played the Adagio, but nothing more. Draeseke found a publisher and possibility of publication, and so in October, 1888 he requested his work be returned. However, he did not want it issued before a performance, even though at the time, no one seemed ready for such an event. For this reason the work remained dormant. Only after his death did the Adagio, in an arrangement with piano by Jean Benda, get published in 1915. This arrangement does not follow the original manuscript.

This cyclically set 2nd Movement (3/4, Adagio, F major) is just the element which would have had to interest one of our violinists seeking a good new concerto. Among the usual standout slow movements of Draeseke, this is one of the most beautiful. Sophisticates will gladly grant it a place alongside that of Brahms. The main theme, introduced by the strings supported soon by woodwinds, touches the heart immediately with its almost religious inwardness and devotional lyricism. The wonderful postlude with which the violin illuminates this on a subdominant German 6th instantly impresses. The motive, moving between alternating g’- a’, assumes almost the guise of an anxious question and which, after immediate repetition several times on the G string takes grows into a passionate melody. Via two triplet passages the violin introduces the second theme. This acts as an extension of the first, despite the broad strokes (glorioso) which stimulates the contrasting melody. After satisfying development, the violin returns, playing the beginning of the main theme by itself. It then enters with quiet 32nd note runs aiding the reappearance of the second thematic grouping in a building woodwind configuration and it uses this motion to paraphrase the postlude material. Its passionate striving to an high a’ peaks in the playing of the second theme, powerfully enforced by octaves. This too fades by way of triplets. After a bit of hesitation, the postlude material is met once again. A trill on high e’' ends with the transfiguring false cadence of the 6/4 subdominant. From almost ethereal heights the material resounds several times again like a voice from another dimension. Under a high held a’ the Adagio expires home key’s triad.

In the outer movements the balance between the violinistically grateful and the musically expressive is set up. The first movement (4/4, Allegro appassionato, E-minor) replaces double exposition by conscious immediate repetition of the major theme. After two introductory measures establishing the harmony, the solo violin introduces the first theme: a broadly sweeping and romantically expressive melody in e-minor. With each repetition it soars ever higher. This triplet motive contains building material for the entire work. A brief addition stabilizes the prevailing billowing motion in powerful quarter note motion. The violin engages the material partially in sixths, at times an octave higher. In the repetition there is exchange with the full orchestra, answered by materials from the main theme thrown to the heights in a developmental manner in order to ultimately attain a passage in counter movement with the cello. A freely elaborated intermediary idea (animato) allows further technical development A rhythmically sharp woodwind motive simultaneously lets loose a display of 16th note runs. With double stops the violin introduces the second major theme, an almost folklike melody evocative of that of Weber. The finely honed transition between D-flat and B major betrays the master harmonist. The final element, the third major theme, is simple and effective. The ensuing chain of two-voiced transitional material lends the melody an almost ritualistic element. With the orchestral repetition come rapturous chordal deliveries. At the development passages of rocking animation ensue. After repeated reference by the orchestra the main theme reappears and the violin takes it to the extreme heights. With artfully contrived manipulation the violin wildly approaches the contrasting theme. After transitional imitation between lower and upper voices it moves stepwise upward, streams briefly in G major and then provides background as a display of fireworks. Bass inversions of the major motive are enveloped by arpeggios. It is then that the ability of the performer can now prove itself as upward rushing chromatic 6ths and double-stops climax in impressive trills. The final portion brings respite and again new life. Over a b’ pedal point in the tympani the solo violin with grand melodic gestures brings the main theme to the recapitulation. Leaving out the postlude idea, it plays the secondary them in lower register and after brilliant passage work involving the tertiary theme tries its luck with octaves. Reducing the tempo both the main theme and its postlude idea fall into line. A passionate cadenza, won from the major theme, reaches its pinnacle in E minor passages extending to the end of the fingerboard.

The Finale (3/4 Allegro con brio, E minor) is one of Draeseke’s wild, audacious concluding movements. It takes its cue from the first movement. While beautiful melodic thinking dominates, the prevailing consideration here is rhythm. The movement is a saltarello, an acrobatic dance. Its individuality rests partially in the fact that the main theme after two mightily announced 8ths and the following rushing 16th note triplets lets a springing motive appear irregularly. With solo violin in the lead, the orchestra at the beginning has to come to terms with the stubborn rhythmic contours. A smartly tailored second theme brings relief. Like this, there is a third lively idea (in thirds, later in sixths) approximating the folksiness of comic opera. It is merrily developed by the orchestra. The mad drive begins anew with the main motive. A dancelike intermediary idea is won from the somersault motive. Its development in c#-minor has immediate effect. Calm sets in after the triplet waves: the main theme of the Adagio. Thereafter comes the second theme in E major over a drum roll. The third theme, with its 3rds and 6ths, follows first the solo violin, then in the whole orchestra. With the utmost power the first theme is prodded higher. Likewise the second theme, though it appears with contrasting softness. Before the conclusion the violin presents the main theme six times with utmost brilliance. It pauses while the basses pull apart the second theme and then confirms in volatile passages with double-stops the E major conclusion, thus finally affirming the purpose of this unconstricted dedication to play and dance.” 

© Translation 2009 by Alan Krueck

 

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